Annual report of the Society for the History of the Germans in Maryland, 1st-6th, Vol. 1-6, Part 23

Author: Society for the History of the Germans in Maryland
Publication date: 1887
Publisher: Baltimore, Society for the History of the Germans in Maryland
Number of Pages: 732


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Among our older German-American families are many whose ancestors came to Maryland from Germany direct by the Chesapeake and settled from the beginning in Baltimore and Annapolis. They were young merchants and traders, who, trained in the Fatherland in habits of industry, and familiar with all the details of the counting-house, rose to wealth and influence, leaving to their descendants an untar- nished name and to the city of their adoption lasting monu- ments of their liberal spirit and enterprise. Such were the Mayers, the Brantz family, the Appolds, Fricks, Bollmans and . many more. Christian Mayer and his partner and household friend, Lewis Brantz, both of whom were so intimately con- nected with the early commerce of Baltimore, emigrated from Germany in 1784.


Mr. Maver entered the mercantile house of Valk, Burger & Schouten of Baltimore, and upon a change of the firm to Valk & Co., was admitted a partner in the house. Mercantile disasters in 1800 caused its downfall which swept away the small fortune of Mr. Mayer, but they did not leave him des- pondent or idle. His energy, pride, and sense of duty to his family urged him to immediate industry and enterprise. On his return from Europe in 1802 he formed a partnership with


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Mr. Lewis Brantz, a man of similar stamp and acquirements „in the transaction of business on commission", continuing at the same time their tobacco trade from Maryland with the Netherlands. Mr. Christian Mayer also assumed the duties of president of the Patapsco Marine Insurance Company, and later, of the Neptune Marine Insurance Company. As Con- sul-General of the kingdom of Würtemberg, he received the most flattering testimonials from the sovereign and ministry of that country for his distinguished devotion to the interests of the German emigrants, many of whom were shiftless, inex- perienced, ignorant of the language and sometimes ill-treated. A desire of just protection for them induced Mr. Mayer to ask the co-operation of leading German - Americans in forming a "German Society of Maryland." It was founded and incor- porated in 1817, Mr. Mayer becoming its first president, hold- ing the office till 1821, when other duties made him decline a re-election.


As an oracle on insurance he was referred to for opinions, not only by eminent lawyers and law writers, but by the courts also. He was a thoroughly educated gentleman and merchant. His education, both classical, and commercial had been of the best in Germany and Switzerland, and valuable books were his constant and dear companions until within a few weeks of his death, at an advanced age in 1843. To his fellow-citizens he left the memory of a conspicuous example of the highly cultivated merchant and gentleman "of the old school." Well may the German-American of Maryland be proud of such pioneers and rejoice in the high qualities of the settlers of his blood, who won influence and renown in a state that at all times was rich in distinguished citizens.


C. F. RADDATZ.


Die Anfänge der deutschen Kultur in Amerika.


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Die Anfänge der deutschen Kultur in Amerika.


Von DR. M. D. LEARNED.


ie der Rhein, Deutschlands herrlicher Strom, durch seinen regen Verkehr reiche Produkte des Bodens dem Meere zuführt und in die weite Welt hinausstreut, so bringt der noch mächtigere Strom der aus allen Gauen des Vater- landes auswandernden Deutschen frische Kulturelemente nach der neuen Welt in das ehemalige Reich der Rothhaute.


Werfen wir einen flüchtigen Ueberblick über diese Kultur- strömungen, damit wir die Grundlagen der deutsch-amerika- nischen Kultur näher betrachten können. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die frühesten Entdeckungen in Amerika lenken, so finden wir, dass Deutsche dabei betheiligt waren. Da sie aber nicht die Hauptrolle spielten und keinen dauern- den Besitz nahmen, ging ihnen die gebührende Ehre und Stel- lung in der Geschichte verloren, während Portugiesen, Spanier, Franzosen und Engländer die Kroniken der Entdeckungszeit mit ihrem Ruhm erfüllen. In politischer Hinsicht haben die Deutschen freilich eine Nebenrolle gespielt, eben deshalb weil sie zum grössten Theil als Ansiedler und nicht als Eroberer nach dem neuentdeckten Kontinente answanderten. Diese Nebenrolle der Deutschen war aber, selbst bei den frühesten Entdeckungen, keine unbedeutende.


Schon bei der Entdeckung Nordamerikas (Weinland wie es damals hiess) durch die Nordmänner um das Jahr 1000 finden wir einen deutschen Namen. In einem höchst interressanten Bericht in altnordischer Sprache des 14. Jahrhunderts (1370 -1380) über diese Entdeckung lesen wir, wie ein Südländer, namens Tyrker, die übrigen Seefahrer während des Baues ihrer Hütten verliess um sich im Walde umzusehen, und herrliche Weintrauben zurückbrachte indem er rief: Er habe hier Wein- beeren gefunden wie in seinem Vaterlande.(1)


(1) "ek fann vinvidh ok vinber *** A visu er that satt" kvadh hann "Thviat ek vur thar faddr, er hvorki skorti vinvidh ne vinber." (Rafu, "Antiquitates Americanae," 36.)


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Die Nordmanner aber und besonders der Südländer Tyrker kosteten unbewusst die Trauben eines nenentdeckten Kontinents und segelten wieder frohlich in ihre Heimat zurück.


Bedentender aber für die Entdeckung Amerikas war nach der Meinung einiger Historiker der berühmte Nürnberger Mar- tin Behaim, ein Schuler des grossen Erd- und Sternkundigen Johannes Müller oder Regiomontanus, wie er genannt wurde. Behaim war ein tüchtiger Mathematiker und Astronom, und ging, wie viele andere Seefahrer seiner Zeit, nach der iberischen Halbinsel und wurde bald Mitglied des Staatsrathes von Por- tugal. Behaim hatte viel gereist und die Schifffahrt grund- lich gelernt. Er wurde wegen seiner Verdienste von König Johann dem Zweiten von Portugul zum Ritter geschlagen. Von Behaim wurde das Astrolabium in den Gebrauch der Schiffer eingeführt. Er ging mit portugiesischen Schiffen auf Entdeckungen aus, machte Reisen zwischen den Wendekreisen, entdeckte mit Diego Cano die Kongoküsten, gründete Ansied- Jungen auf den Azoren, verheirathete sich mit der Tochter des Statthalters der Insel Fayal, wo er sich einige Jahre aufhielt. Im Jahre 1483, also beinahe zehn Jahre früher als Columbus seine Entdeckungsreise antrat, soll Behaim die Südamerika- nische Küste gesehen haben. Er hielt sie aber für eine Insel und nahm sie für Portugal in Besitz. (1) Den Bericht seiner Entdeckungen theilte er später dem Columbus selbst mit, der ihn auf Madeira besuchte. Also durch den Verkehr zwischen Deutschland und den südwest-europäischen Ländern, den Behaim besonders gefördert hatte, wurde die AuswanderungsInst in den Deutschen erweckt und der Zug der Auswanderer zuerst nach Südamerika gerichtet.


DEUTSCHE KULTURSTROMUNGEN NACH SUD-AMERIKA. ..


Die erste deutsche Ansiedlung in Südamerika wurde im Jahre 1528 in Venezuela (Klein-Venedig) von Bartholomäus Welser, einem reichen Augsburger, gegründet. Kaiser Karl V.


(1) Nach der Meinung der meisten amerikanischen Geschichtsschreiber ist die betreffende Stelle in der "Nürnberger Chronik" interpolirt und bezieht sich auf die afrikanische Küste. Vgl. John Fiske, "The Discovery of America," I +2+ (1892), wo er sagt: "A ridiculous story, that he (Behaim) anticipated Columbus in the discovery of America originated in the misunderstanding of un interpolated pas- sage in the Latin text of Schedel's Registrum Nuremberg. 1493, p. 290, the so-called Nuremberg Chronicle."


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hatte den Welser dieses Land zum erblichen Lehnseigenthum gegeben gegen die 12 Tonnen Goldes die er von jenem entliehen hatte und die er nicht zurück bezahlen konnte. Im Jahre 1526 schickten die Welser drei Schiffe unter dem Befehle des Ambrosins Alfinger() aus Ulm nach Südamerika. Ein deut- sches Reich wurde also von einem Handlungshaus in Venezuela gegründet. Der Hauptzweck dieser Welser-Expedition war die fabelhafte Goldstadt ( Eldorado) zu suchen, Alfinger starb schon 1530, und die meisten der 500 deutschen Soldaten, die nach Venezuela gesandt worden waren, scheinen Alfinger's Schicksal getheilt zu haben. Noch zwei andere Goldabenteurer machten es dem Ulmer Alfinger nach: Georg von Speier, der 1534 mit 400 Mann eine Expedition von Coro ins Innere des Landes . leitete; und Philipp von Hutten, ein Gefahrte des Georg von Speier, der im Jahre 1541 einen zweiten Versuch machte.(2) Nach etwa 30 Jahren traten die durch grosse Verluste her- untergekommenen Welser ihre Herrschaft an die Spanier ab. Ausser diesen Ansiedlungen in Venezuela sind auch Deutsche nach den holländischen Besitzungen der General-Staaten, Par- amaribo, St. Martins und Aruba ausgewandert. Später legten deutsche Kaufleute, vornehmlich aus den Hansastädten, An- siedlungen in Südamerika, Mexico und Westindien an.(3)


Auch in Brasilien haben sich seit 1825 viele Deutsche niedergelassen, besonders in dem südlichen Theil, zwischen St. Paulo und Rio Grande. Der Kaiser Dom Pedro hatte eine österreichische Prinzessin zur Gemahlin, mit der mehrere gebil- dete Oesterreicher herüberkamen und eine Menge ihrer Lands- leute nachzogen. Die bedeutendsten von ihnen dort angelegten Dörfer sind Rio Negro, Petropolis, St. Amaros. Itapicerica und St. Petro d'Alcantara. Die Zeit erlaubt uns nur der zahlrei- chen deutschen Ansiedlungen in der Nähe von Rio Janeiro, in Buenos Ayres and Montevideo zu erwähnen.


DEUTSCHE KULTURSTROMUNGEN NACH NORD-AMERIKA.


Fasst man die Ursachen ins Ange, welche die grossen deutschen Auswanderungen nach Nordamerika veranlassten, so


(1) Oder Ambrosio de Alfinger, vgl. Justin Winsor, "Narrative and Critical History of the United States," I, 579.


(2) Vgl. Winsor I, 579-551.


(3) Vgl. Löher, "Geschichte und Zustände der Deutschen in Amerika," S. 16.


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findet man, dass die Hauptursache den damals in Dentschland herrschenden religiösen Unruhen zuzuschreiben war. Waren die ersten Deutschen des Handels wegen nach Südamerika aus- gewandert, ja sogar in enger Verbindung mit den Hansastädten, so waren doch die meisten nach Nordamerika auswandernden Kolonisten arme verfolgte Protestanten, die lieber ihr Schicksal unter den wilden Menschen und Thieren der amerikanischen Urwälder suchen wollten, als einen elenden Tod unter den barbarischen Kulturmenschen Europas erleiden.


Freilich waren es wofilhabende Kanfleute und reiche Ka- pitalisten wie die Krefelder und die Frankfurter, welche den Weg nach Pennsylvanien bahnten, auf dem die Pioniere der deutschen Kultur nach dem Reiche der Indianer gelangen sollten. Um aber die Anfänge des deutschen Lebens in Nord- amerika betrachten zu können, müssen wir die Perioden der deutschen Kulturentwickelung in Amerika näher bestimmen. Die Geschichte der deutschen Kulturentwickelung in Nord- amerika lässt sich in folgende Perioden eintheilen :


1. Die Ansiedlungszeit oder Kolonialperiode (1614-1776).


2. Die Verschmelzungszeit oder Konstruktionsperiode (1776- 1848.)


3. Die Umbildungszeit oder Rekonstruktionsperiode (1848-).


Die Kolonialperiode umfasst (1) die Begründung Neu- Niederlands durch die Hollander, (2) die Niederlassung von Deutschen in Neu-York, Pennsylvanien, New Jersey, Mary- land, Virginien, Sudkarolina, Georgia u. s. w. Folgende Ab- handlung beschränkt sich auf die Ansiedlungszeit und reicht nicht über Maryland hinaus.


KULTURZUSTANDE IM VATERLANDE.


Zu Anfang des 17. Jahrhunderts stand Deutschland ein fürchterlicher blutiger Krieg bevor. Der Protestantismus, durch die Reformation eingeführt, hatte sich fast des ganzen Norddeutschlands und der Niederlande bemachtigt. Holland hatte in dem Kampf mit Spanien den Sieg davon getragen und letzteres sah sich gezwungen im Jahre 1609 in den Waffen- stillstand einzuwilligen. Die Habsburger hatten sich den Jesu - iten in die Hände gegeben. Wie zwei Fenerdrachen standen der Protestantismus und der Katholicismus sich feindlich gegen- über. Die Losung zum Angriff blieb nicht lange aus. Dreissig


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Schreckensjahre hindurch verwüsteten diese Ungeheuer das unglückliche Vaterland bis endlich fast das ganze Land verodet war und seine elenden Söhne sich nach einem friedlicheren Himmel sehnten.


HOLLANDISCHE KULTURELEMENTE IN NEU-NIEDERLAND. ..


Bekanntlich hatten die Hansastädte durch ihren regen Handelsverkehr die entlegensten Theile Europas, sogar der da- mals bekannten Welt in Verbindung gebracht. Durch ihren Einfluss angeregt und gefordert hatten England und Holland eine bedeutende Stellung im nord-europäischen Seeverkehr er- worben. In einem Jahre (1590) wurden in Holland 1000 Schiffe gebaut. Holländische Kaufleute fuhren mit holländischen Schiffen nach Nowgorod, nach Portugal, nach Indien, nach den Azoren; und endlich nach Nordamerika, um einen nenen Seeweg nach Indien zu entdecken.


Im Jahre 1600 segelte Hendrik Hudson, der diese letzge- nannte Expedition leitete, den Fluss hinauf, welcher noch jetzt seinen Namen führt. Acht Jahre später liessen eine Gesellschaft von Amsterdamer Kaufleuten auf der Insel Man- hattan einige einfache Gebäude aufführen. Im Jahre 1623 wanderten etwa 30 Familien auf dem Schiffe "Neu-Niederland" von Amsterdam nach Neu-Niederland ans, und gründeten unter der Autorität der westindischen Compagnie die erste dauernde Ackerbau-Kolonie in dem nachmaligen Staate Neu - York. Diese Ansiedler waren meistens Wallonen, Luxemburger und Einwohner anderer Länder an der französischen Grenze. Schon zu dieser Zeit machte sich der Gegensatz zwischen Nieder- ländern und Engländern fühlbar, wie der damalige Grenzstreit darthut. Devries kam 1638 mit einem Schiffe voll Einwanderer nach Staten Island und gründete dort eine Kolonie. Im Som- mer desselben Jahres kamen wohlhabende Leute mit Emigran- ten nach Neu-Amsterdam. Unter ihnen war der berühmte Darmstädter, Jochem Peterson Kuyter. Die liberale Politik veranlasste eine bedeutende Uebersiedlung von Kolonisten von Virginien und Nen-England nach Neu-Niederland. Die Ver- bindung zwischen den Niederlanden und Deutschland, politisch betrachtet, war damals viel enger als heutzutage und unter den Auswanderern, die sich in Neu-Niederland niederliessen waren


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viele Deutsche. Bei Eickhoff, ,,In der neuen Heimat," S. 43, lesen wir Folgendes: "Die Mehrzahl unserer in Nen-York sich niederlassenden Landsleute waren Handwerker, und kamen ans dem nordwestlichen Deutschland, von Niederland und Geldern, ans Westphalen. Ditmarsen, Friesland, Holstein und den llan- sastädten ; aber auch ans Hessen, Thüringen und Franken, den Elbegegenden, selbst Schwaben und der deutschen Schweiz zogen einzelne Abenteurer nach Nen-York. Natürlich waren die meistens ungebildeten Einwanderer, im fremden Welttheile höchstens die Vertreter dentschen Fleisses und sesshaften Hand- werks, nicht aber die Träger der heimischen Sitte und Kultur. In ihren Anschauungen und Bestrebungen sind sie vielmehr Holländer, und deren Sprache redend, haben sie mit ihnen auch die kaufmännischen und politischen Ziele gemein. So verschwinden sie denn auch baldl unter den Hollandern, mit welchen sie übers Meer gekommen waren, und selbst jede Spur ihres Daseins würde uns verloren gegangen sein, wenn ihre Namen nicht zufällig in den Verzeichnissen der Amsterdamer- Rheder aufbewahrt worden waren. "()


Aus dieser kurzen Skizze der Geschichte der frühesten Niederlassungen in Neu-Niederland ergibt sich, dass die Haupt- strömung der nach dieser Kolonie auswandernden Kultur eine holländische war. Obgleich die deutschen Kulturelemente aber gegen die niederländischen verhältnissmässig unbedeutend waren, so hatten sie doch fur die spätere Kulturentwickelung eine grosse Bedeutung. Durch sie wurde der Handelsgeist der untergegangenen Hansa wieder wach. Der Verkehrskreis wurde um einen neuen Welttheil erweitert, der Zug der deutschen Auswanderer nach Holland, dann weiter nach Nen-Amsterdam gerichtet, die Grundlage zu der jungen Hansastadt gelegt. welche im Laufe von dritthalb Jahrhunderten alle Städte des europa- ischen Festlandes überflügeln sollte. Mit einem Wort, es wurde die Vorbereitung gemacht zu einem unaufhörlichen, beständig wachsenden Einströmen rein deutscher Kultur und deutschen Lebens.


Also kam es, dass im 17. Jahrhundert, als Deutschland von Ludwig XIV. ruchlos verheert und verwüstet wurde, die Tausende von verfolgten und vertriebenen Protestanten sich


(1) Kapps„Geschichte der deutschen Einwanderung in Amerika" entnommen.


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nach Holland flüchteten um sich dort nach England und Amerika einzuschiffen. Auch die verfolgten Pfälzer, welche auf Veranlassung der Königin Anna nach England, Irland und den englischen Besitzungen in Nordamerika auswanderten, wurden durch das Beispiel der Hollander angeregt und ermun- tert.


VERPFLANZUNG DEUTSCHER KULTURELEMENTE NACH PENNSYLVANIEN.


Wer den ununterbrochenen Entwicklungsgang des deut- schen Wesens, besonders der deutschen Kultur, anf amerika- nischem Boden verfolgen will, muss seinen Blick nicht nach Neu-Niederland, welches im beständigen politischen Wirrwarr wankte, noch nach Neu-England, wo der strengste, intoleran- teste Puritanismus herrschte, sondern vielmehr nach dem geseg- neten Pennsylvanien, wo William Penn die Wilden des Urwal- des und die Kinder des Lichtes in einem festen Friedensbund einschloss, und den Verfolgten jeder Nation, jedes Glaubens ein friedliches Asyl anbot.


Während die deutschen Auswanderer nach Neu-Niederland zum grossen Theil Abenteurer waren, welche ihr Glück in der neuen Welt suchten, waren die meisten, die sich in Pennsyl- vanien niederliesen, ans religiösen Gründen nach Amerika aus- gewandert, um dort eine neue Heimat zu gründen und weit entfernt von dem blutdurstigen Verfolger ein ruhiges Leben im Reiche der Wilden zu fuhren. Also kamen allerlei religiöse Sekten aus vielen Theilen des Vaterlandes nach Peuns Provinz und verpflanzten die Kultur der alten Heimat auf amerikani- schen Boden.


Wohnten einzelne Deutsche unter den Ansiedlern Neu- Niederlands zerstreut, so bestand doch keine eigentliche deutsche Ansiedlung im Staate Neu-York. Deutschland hatte damals wie jetzt keine Besitzungen im ganzen Nordamerika, und war übrigens nicht im Stande eine. amerikanische Kolonialpolitik zu unterhalten. Während England, Holland, Schweden und Frankreich grosse Gebiete in Besitz nahmen, musste Deutsch- land auf jede Hoffnung verzichten, Eroberungen in Amerika zu machen, und schweigsam zusehen, wie seine hilflosen Söhne das Vaterland verliessen um Schutz unter fremden Flaggen zu


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suchen. Es waren also und blieben alle in Amerika gegrün- deten deutschen Kolonien ohne jeden politischen Anschluss an das Vaterland.


Die ersten und zugleich der Kern der eigentlichen deut- schen Ansiedlungen in Nordamerika waren diejenigen, welche in Pennsylvanien angelegt wurden, und zwar auf Veranlassung des toleranten Menschenfreundes William Penn, der im Jahre 1671 und 1677 Deutschland und besonders das Rheinland be- reist hatte. Es waren diese ersten Deutschen zum grössten Theil religios gesinnte Lente, welche den verfolgten Sekten angehörten, also Wiedertänfer, Mennoniten, Schwenkfelder, Pietisten und Mystiker verschiedener Art.


Es waren meistens so zu sagen Sekten-Ansiedlungen, welche den ursprünglichen Kern des eigenthümlichen, noch fortleben- den Deutschthums in Pennsylvanien bildeten. Die bedeutend- sten unter ihnen waren der Reihe nach die Quaker, besonders Krefelder, welche unter Pastorins Leitung die Stadt German- town anlegten ; die ,, Erweckten," welche die wunderliche My- stiker-Gemeinde ,,Das Weib in der Wüste," am idyllischen Wissahiekon, gründeten ; die Pfalzer Hugenotten, die sich in den Jahren 1204-1712 in der Nähe von Oley, in der Graf- schaft von Berks niederliessen ; die Mennoniten, die in dem Jahre 1712 im Pequeathal, in der jetzigen Lancaster Grafschaft, Land kauften; die Schwarzenaner Taufer, die sogenannten „Tunker,“ „Dunker,“ oder „Dunkards," welche im Jahre 1719 nach Pennsylvanien kamen und sich in Philadelphia, German- town, Oley und besonders in Conestoga und Muhlbach in der Lancaster Grafschaft niederliessen ; die Schoharie Pfalzer, welche nach zehnjährigem Aufenthalt in Schoharie im Staate Nen- York ihre Wanderung wieder weiter nach Pennsylvanien fort- setzten und sich im Jahre 1423 in Tulpehocken ansiedelten : die Schwenkfelder, die im Jahre 1734 Ansiedlungen in den angrenzenden ,,Townships" der Grafschaften von Berks, Mont- gomery und Lehigh anlegten ; die. Herrnhuter, welche unter der Leitung Peter Boehlers nach Georgien ausgewandert waren und im Jahre 1740 und 1745 nach Pennsylvanien kamen, wo sie Bethlehem gründeten und sich in der Umgegend nieder- liessen. Ausser diesen Sekten-Ansiedlungen wanderten auch eine grosse Menge Lutheraner und Reformirte nach Pennsyl-


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vanien aus und liessen sich unter den übrigen deutschen Ko- lonisten nieder, ohne jedoch scharf begrenzte Ansiedlungen zu bilden.


Vergleichen wir die Kolonie der Niederländer in Neu-Nie- derland mit der von Pennsylvanien, so finden wir gewaltige Unterschiede. Jene wurde auf Veranlassung einer grossen Handelsgesellschaft und unter dem Schutze einer fremden Re- gierung, der holländischen, gegründet und hatte sowohl kauf- männische als auch politische Ziele; diese wurde durch den Einfluss eines Privatmannes, des Menschenfreundes William Penn, von einzelnen Gemeinden und Familien angelegt und hatte hauptsächlich landwirthschaftliche und industrielle Zwecke. Jene hatte nur eine anerkannte Kirche, die hollän- dische Reformirte, diese hatte keine einheitliche von der Pro- vinz vorgeschriebene Kirche, gewährte dagegen jeder Religions- form, jeder Sekte, ja sogar jeder Gemeinde unbeschränkte Glaubensfreiheit und nahm die Verfolgten und Vertriebenen, wess Glaubens und Landes sie auch sein mochten, unter ihren Schutz. Jene musste gewissermassen das Schicksal der hollän- dischen Oberherrschaft in dieser Provinz theilen und endlich der Macht der heranrückenden Engländer weichen ; diese hatte im Stillen tiefe Wurzel geschlagen, wuchs gleichsam unab- hängig von der Regierung heran, bekümmerte sich sogar nicht so sehr um dieselbe, so lange es sich nur um die Verwaltung der Provinz und deren Verhältniss zu England handelte, und hat sich in Folge dessen in ihrem eigenthümlichen deutschen Karakter zum grossen Theil bis auf den heutigen Tag erhal- ten, so dass man die ununterbrochene Entwicklung der ersten rein deutschen Kolonie in Nordamerika beinahe zwei Jahr- hunderte hindurch verfolgen kann.


Betrachten wir einen Augenblick die Kulturzustände der ersten deutschen Ansiedler in Pennsylvanien.


Im Jahre 1683 war Pennsylvanien noch mitten im Reiche der Wilden. Freilich hatten Holländer und Schweden schon im Jahre 1648 das ,, Uplandt," das nachmalige Chester, ange- siedelt, aber die Kulturkinder waren noch nicht über die nahen Ufer des Delaware-Flusses hinausgewandert. Vom Delaware bis zum Susquehanna herrschten die Naturkinder, die Völker der Rothhäute. In den drei folgenden Jahrzehnten breiteten


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die deutschen Pioniere sich über das ganze Gebiet dieses mit amerikanischen Urvölkern bewohnten Landes ans. Die eng- lischen Quaker haben freilich viel dazu beigetragen, dieses fruchtbare Land dem deutschen Einwanderer zugänglich zu machen, aber den deutschen Ansiedlern gebührt doch die Ehre, die dunkeln Urwälder in blühende Landschaften verwandelt zu haben. Mit den einwandernden Deutschen kamen Gewerbe und Industrien, welche noch heute in der pennsylvanischen Kultur unverkennbar sind.


Ackerbau.


Pennsylvanien, wie vielleicht kein anderer Staat der Union, rühmt sich mit Recht seiner herrlichen Ackerbauprodukte. Mancher Reisende bewundert, mit keuchendem Eisenross vor- übereilend, die blühenden Kornfelder, glatten Heerden und stark gezimmerten Scheunen dieses Staates, ohne zu bedenken, das wir das zum grossen Theil deutschem Fleiss und deutschem Schweiss zu verdanken haben. Schon die ersten deutschen Ansiedler in Pennsylvanien waren oder wurden meistens Acker- bauer. Nach einem Bericht in dem Frankfurter Mess-Kalen- der von Ostern bis Herbst 1709, S. 90, machte die Zahl der Ackerbauer ungefähr vier Fünftel der auswandernden Deut- schen aus. Die Stelle lautet also:


„Von der Mitte April 1709 bis zur Mitte Juli desselben Jahres kamen 11,294 dentsche Protestanten beiderlei Geschlech- tes in London an: 1838 Ackerbauer und Winzer, 78 Bäcker, 126 Maurer, 124 Zimmermeister, 68 Schuhmacher, 99 Schneider, 29 Metzger, 45 Müller, 14 Gerber, 7 Strumpfweber, 13 Sattler, 2 Glasbläser, 3 Hutmacher, 8 Kalkbrenner, 18 Schulmeister, 2 Kupferstecher, 3 Ziegelbrenner, 2 Silberarbeiter, 22 Schmiede, 3 Hirte, 48 Grobschmiede, 3 Topfer, 6 Drechsler, 1 Bildhauer, und 2 Wundärtzte. Von dieser Zahl waren 2556 welche Fa- milien hatten."(1)


Gewerbe und Industrie.


Aus dem eben citirten Bericht erhellt, dass ausser den gewöhnlichen Handwerkerklassen, Zimmermeistern, Schuhma- chern, Schneidern, Metzgern, u. s. w., welche noch heute zum


(1) Zurückübersetzt aus dem Englischen ins Deutsche, da mir das Original nicht mehr zugänglich war.


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bedeutenden Theil aus Dentschen bestehen, auch Strumpf- weber, Müller, Gerber, Glasbläser, Schmiede, Topfer, Kalk- brenner, Maurer vertreten waren. Schon mit den Pionieren also wanderten deutsche Gewerbe nach Pennsylvanien aus. Neben dem Rauch des Wigwams stiegen die Funken der deut- schen Schmiede auf; neben dem Stossen der Indianermörser- keule ertönte das Mahlen der deutschen Mühle: neben dem unheimlichen Geschrei der Wilden erklang das friedliche Klap- pern des deutschen Weberschiffleins; neben dem alten Natur- leben blühte ein neues und zwar ein deutsches Kulturleben auf. Professor Seidensticker(1) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Leinweber und Strumpfwirker in Germantown schon vor dem Jahre 1700 berühmt geworden, dass der erste Schrift- giesser im Lande Christoph Saner war, die ersten Papiermüller, Klaus und Wilhelm Rittenhaus in Germantown. Welcher stolze Eisen- oder Eisenbahnkönig in Pennsylvanien bedenkt heute, dass er den Anfang seiner Millionen einbringenden In- dustrie zum grössten Theil deutschen Eisenmeistern in Lan- caster und Berks counties zu verdanken hat?




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